Gedanken für Kinder
Wenn du gerade stehst und die Hände ausbreitest, bildet dein Körper ein Kreuz.
Deine Hände strecken sich den anderen entgegen – wie in einer Umarmung. Dein Kopf weist nach oben, zu Gott hin. In deinem Herzen ist die Mitte des Kreuzes. So wie Jesus verbindest auch du Himmel und Erde. Er hat seine Arme weit ausgebreitet und vielen Menschen geholfen. Er ist auch dem Tod nicht ausgewichen. So ist das Kreuz ein Zeichen für uns Christen und Christinnen geworden.
Es steht für Jesus.
Es steht für alles, was er durchgemacht hat, was er erlitten hat bis zum Tod.
Es steht dafür, dass Gott alles Schwere, alle Not kennt und auch weiß, wo wir es schwer haben. (Quelle JS Diözese Linz)
Vielleicht denkst du dabei an diese vom Corona-Virus geprägte Zeit, die so anders ist als die unbeschwerte Zeit, die wir sonst kennen. Die Begegnungen, die nicht möglich sind. Du erlebst Erwachsene, die unsicher sind. Du hast vielleicht Angst um deine Großeltern, für die das Virus besonders gefährlich ist.
Vielleicht denkst du aber auch an Menschen, an Kinder in anderen Teilen dieser Welt, die ebenfalls große Ängste haben – Angst davor, dass der Krieg ihnen alles Lebensnotwendige nimmt. Angst davor, flüchten zu müssen, Angst davor, keine sichere Bleibe zu finden. Vielleicht denkst du an Kinder auf dieser Welt, die hungern müssen, wo die Eltern von einem Tag auf den andern nicht wissen, wie sie ihnen ausreichend Essen besorgen können, die vielleicht betteln geschickt werden oder in illegalen Fabriken ausgebeutet werden. Vielleicht denkst du an Kinder auch in unserem Land, die hilflos Erwachsenen ausgeliefert sind, die sie nicht gern haben, die Gewalt erleiden müssen.
Am Karfreitag müssen wir uns verdeutlichen, dass es viele Dinge auf dieser Welt gibt, die ungerecht sind, die uns traurig und fassungslos machen. Es gibt keine durch und durch heile Welt. Diese Traurigkeit dürfen wir an diesem Tag vor Gott bringen und ihm diese Sorgen anvertrauen.
Der Tod Jesu am Kreuz hat nicht das letzte Wort – wir glauben, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Wir hoffen und glauben, dass Gott Dinge zum Guten bringen kann – gerade auch am Karfreitag.
Gedanken für Erwachsene
Das Kreuz ist für viele Christen ein alltägliches Zeichen. Sie tragen es als Amulett um den Hals, es hängt als Möbelstück oder als Kunstwerk in der Wohnung. Diese Gewohnheit und Gewöhnlichkeit stumpft gegenüber der Wirklichkeit des gekreuzigten Jesus ab. Manche brauchen Opfer, Leiden und Kreuz, um anderen ein schlechtes Gewissen einzureden. Man kann das Kreuz Jesu als Keule, als Vorwurf gegen andere Menschen benutzen. Und schließlich eignen sich Schmerz und Tod als aufregende Unterhaltung, aber eben als Unterhaltung, die man konsumieren kann.
Heute am Karfreitag wird unser Blick auf den leidenden Jesus gewendet, aber auch auf die Gesichter von gezeichneten Menschen, auf die Gesichter von Kindern, die schon von klein auf geschlagen sind, auf die Gesichter von Jugendlichen, die keinen Platz in der Gesellschaft finden und frustriert sind, auf die Gesichter von leiblich und psychisch Kranken, auf die Gesichter von Sterbenden, von Flüchtlingen. Es gilt einmal wahrzunehmen, nicht wegzuschauen, nicht vergesslich zu werden. Und es gilt, hinter dem Dreck und dem Schmerz die Würde, die Kostbarkeit und auch die innere Schönheit dieser Menschen zu sehen.
Wir beten als Christen nicht das Leiden und das Kreuz an sich an. Wir schauen auf Christus. Wir brauchen nicht eigenmächtig um eines asketischen Ideals willen Leiden und Kreuz suchen und von uns her ergreifen. Wohl kann kein Mensch völlig achtlos an der Leidensteilnahme vorübergehen und sich der Solidarität mit den Leidenden verweigern. Er würde als kalt, als herzlos, ja als Unmensch gelten. Wahre Liebe kann den anderen „gut leiden“, d.h. ich mag dich, ich finde dich sympathisch, aber auch: ich halte dich aus, ich ertrage dich, ich nehme dich auch mit deinen Neurosen und mit deinem inneren Schweinehund an. Wer an einem Menschen nicht auch gelitten hat, der kennt ihn nicht und der liebt ihn auch nicht.
Gegen das Coronavirus gibt es (noch) keinen Impfstoff und kein Medikament. Wir können das Virus nicht mit einem Knopfdruck wegzaubern und auch nicht so tun, als ob es ihn nicht gäbe. Wir hoffen, dass die Forscher bald wirksame Medikamente und Impfstoffe finden. Aber solange das nicht der Fall ist, müssen wir unser Zusammenleben so gestalten, dass das Virus möglichst nicht übertragen wird. Das ist unsere Verantwortung und die gegenwärtig geforderte Form von Nächsten- und Selbstliebe. Vernunft, Wissenschaft und Glaube sind da kein Gegensatz, sondern können durchaus zusammenspielen.
Wie können wir Christen dem Leid begegnen? Von Jesus her sollen wir das Leid lindern, mindern oder verhindern. Es gibt Situationen und Begegnungen: da müssen wir einfach helfen. Alles andere wäre kalt und unmenschlich. Widerstand ist dort notwendig, wo es gilt, vermeidbares Leiden abzuschaffen; Ergebung und Annahme dort, wo Leid nicht überwunden, sondern nur ertragen und im Licht der Auferstehung Christi in Hoffnung verwandelt werden kann.
„Das Kreuz fehlt nie im Leben. Man braucht es nicht zu wählen, es ist auch nicht notwendig, Gott um das Kreuz zu bitten. Wenn es aber da ist, dann soll man es umfassen und entschlossen tragen. Das Kreuz quält besonders den, der es nicht tragen will“ (Teresa von Avila).
„Gott gib uns den Mut, zu verändern, was sich verändern lässt; schenk uns die Kraft, anzunehmen, was nicht zu verändern ist, und gib uns die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden.“ (Paul Claudel).